Analogik

rattus rattus (Andreas Schamanek)

2006-08-22

 

Über die Ähnlichkeit von Wissenschaft und ErzĂ€hlungen

 

Wir wissen alle, was Biologie ist, oder Psychologie und Rattologie. Also mein Wörterbuch sagt zu Biologie: Die Wissenschaft von den Organismen. Mein österreichisches Wörterbuch schreibt zu Psychologie sehr schön: Die Wissenschaft von den seelischen KrÀften.

Was ich Ratte hier grad mach, ist wohl Rattologie (Ich untersuche mich selbst ;)

Wir wissen auch, dass diese Worte von griechisch logos abstammen.

Aber was ist dann die Analogie, wissend, dass das Wort auch von logos abstammt? Und wo das schon nicht so einfach ist, warum heißt die Analyse eben so, wissend, dass das Wort auf griechisch lyein, lösen, zurĂŒckgeht? WofĂŒr steht also das Ana-?

WofĂŒr ana- steht, ist mir ein kleines, weiteres RĂ€tsel. Aber Kluges Etymologisches Wörterbuch fĂŒhrt einiges an: hinauf, zurĂŒck, gemĂ€ĂŸ.

Ana-logie? Die Lehre vom DrĂŒbersteigen? Die Lehre vom ZurĂŒck?
Wohl eher nicht.

Mein österreichisches Wörterbuch schweigt sich ĂŒber Analogie aus und schreibt nur zu analog: gleichartig. Ein anderes Wörterbuch (der “Störig”, ein Analogon zum “Wahrig” und zum “Duden”?) schreibt:

Analogie:
Entsprechung, sinngemĂ€ĂŸe Anwendung oder Übertragung. Siehe Analogon.

Analogon:
Ă€hnlicher Fall; von griechisch analogos ĂŒbereinstimmend, eigentlich “der Vernunft entsprechend”.

Das Analogon als das der Vernunft entsprechende? Sehr schlau.
Ist das vernĂŒnftig? Ja.

Ich stell mir grad (ĂŒberzeichnend) neue Werbeslogans vor:

ZurĂŒck zur Vernunft!
Wir brauchen mehr Analogie!

Kleiner Ratten-Einwurf: Was ist die Analogie der Analogie?

Nun denn,
das RĂ€tsel, fĂŒr mich, steckt in der Etymologie des griechischen Wortes “Logos”. Kluge fĂŒhrt es auf legein zurĂŒck, das vielleicht auch mit dem deutschen legen in Zusammenhang steht (vergleiche zum Beispiel die Darlegung; Kluge legt das aber anders dar).

legein, so Kluge, hieß “zĂ€hlen, berechnen, usw.”. logos hieß also eher “Maß” und “Berechnung”, und in einem ĂŒbertragenen Sinn “Vernunft” und “Rede”. Kluge macht noch eine Anmerkung, derzufolge logon auch “VerhĂ€ltnis” bedeutete.

Die Analogie, so Kluge, meinte: dem VerhÀltnis entsprechend. Ich stelle mir vor: Die Dinge, die wir nebeneinander legen, die wir sortieren (aber das ist eine andere Geschichte).

Von legein zu legen ist es ein gewagter Sprung. Zwei Anmerkungen dazu:

Zum einen frage ich mich, worin das ZĂ€hlen und Messen vor 3000 Jahren bestand. Der damals ĂŒbliche Computer “Legein v0.1” bestand vermutlich aus einem Beutel mit (sich Ă€hnlichen) Steinchen und (sich Ă€hnlichen) StĂ€bchen gleicher LĂ€nge, die nebeneinander oder aneinander gelegt wurden.

Zum anderen finden sich tatsĂ€chlich auch etymologische ZusammenhĂ€nge in meinem Wörterbuch der Etymologie des Lateinischen unter den EintrĂ€gen lectus (Lagerstatt, Schlaf-, Ehe-, Leichenbett), lego, legare (eine gesetzliche VerfĂŒgung treffen) und lego, legere (auflesen, zusammenlesen, sammeln).

Bleiben wir vorerst beim Darlegen. Die Biologie ist dann also das Leben, das wir zur Untersuchung vor uns hinlegen (oder auflegen), um dann darĂŒber (wissenschaftliche) Reden zu halten. Das steht wunderbar im Gegensatz zu den Problemen und den Projekten, die nicht sanft hingelegt und ausgebreitet werden. Sie werden (vor)geworfen und geschossen.

legein meinte aber eben auch “reden” (deshalb auch logos als die “Rede” und “Lehre”). Jetzt wird klar, warum wir “ErzĂ€hlungen” haben (vergleiche auch englisch “to recount” und französisch “raconter”), und warum Wissenschaft und Gschichtldruckerei so eng beisammenliegen.

Soviel zur Analyse der Analogie.

 


 

P.S.: Unsere moderne Auffassung des Wortes Analogie ist recht jung. Die hier aufgezeigte Etymologie dient lediglich der erzÀhlerischen Unterhaltung.

P.P.S.: Die Etymologie der Etymologie: Griechisch etymos steht fĂŒr das Wahre und das Wirkliche. Die Etymologie, die Darlegung des Wahren und Wirklichen? Ich glaub’s erst, wenn ich die Etymologie von etymos kenn.

P^3.S.: Auch englisch “to tell” kommt angeblich von “aufzĂ€hlen”; siehe dazu die Etymologie von tell.

Literatur:

  1. Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Elmar Seebold. 23. Auflage, 1999.
  2. rattus rattus’ blog . FĂŒr alle offensichtlichen und versteckten Paradoxien und WidersprĂŒche.
  3. Störig: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. Stuttgart: Parkland Verlag 1990.
  4. The Online Etymology Dictionary.
  5. Walde A, Hofman J.B.: Lateinisches Etymologisches Wörterbuch. 5., unverÀnderte Auflage. Heidelberg: Carl Winter UniversitÀtsverlag 1982.

 


UrsprĂŒnglich veröffentlicht 2006 unter verbloggtnoamal: Analogik

 

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